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#3 Persönliche Wirkung auf Bühne und Bildschirm - ins Rampenlicht mit allen Sinnen

In unserem dritten Interview unserer Expert:innenreihe, spricht unsere Kollegin Simone von Stosch darüber, was es braucht „die Bühne zu rocken“….

Sag mal, gleich zum Einstieg: Ich finde, Präsentationen – besonders im Netz / auf Video - werden immer professioneller, oberflächlich besser. Gleichzeitig irgendwie gleichförmiger, uniformer, glatter. Findest Du das auch? Und: Waren die Präsentator:innen alle vorher bei Dir?

Ja, das finde ich auch. Und in bestimmten Inhouse-Seminaren gruselt es mich ein wenig. Die Leute wirken – ich trau’s mich kaum zu sagen – manchmal ein wenig wie geklont. Und nein: Natürlich waren die nicht bei mir. Wenn sie bei mir gewesen wären, würden sie authentischer und selbst-bewusster auftreten.

Was meinst Du mit selbst-bewusst?

Das zentrale Thema bei gelingenden Auftritten ist immer die Kongruenz zwischen innerer Haltung und körperlichem / mimischem / stimmlichem Ausdruck. Meine Teilnehmer:innen lernen, ihre inneren Zustände besser zu verstehen und finden Wege, sie zu modifizieren. Wenn Du Dich richtig wohlfühlst mit einem Thema, mit dem Setting, mit den Leuten, mit Dir selbst, dann strahlst Du das durch Deine Körpersprache nach Außen aus und erhöhst Deine Wirkung.

Das funktioniert auch umgekehrt: Indem Du Deinen körperlichen Ausdruck veränderst, kannst Du auch Deinen inneren Zustand, z. B. wie gut es Dir geht und wie stark Du Dich fühlst, modifizieren. Interessiert Dich das auch?

Ja, sehr, und wir arbeiten damit auch ganz viel im Training. Vielleicht kennst Du Amy Cuddy, eine bekannte Sozialpsychologin. Sie hat das sogenannte Power-Posing entwickelt, primär für Frauen, ausgehend von der Erkenntnis, dass sich besonders junge Frauen vom territorialen Verhalten der Männer einschüchtern lassen. Da geht es darum, durch starke Gesten („Mach Dich groß!“), z. B. vor einer anspruchsvollen Präsentation, innere Stärke aufzubauen. Sehr interessant, sehr wirksam. Es gibt dazu einen TED-Talk, schau’s Dir an! Oder komm gleich in „Körper, Stimme, Überzeugungskraft“ bei Janus. Funktioniert übrigens auch bei Männern.

Warum bist Du eigentlich so verbunden mit dem Thema? Was ist dein Hintergrund und warum bist Du geeignet, Leuten hierzu etwas beizubringen?

Du spielst auf meine Tagesschau-Sprecherinnen-Vergangenheit an. Das ist es aber gar nicht, weshalb ich so verbunden bin mit dem Thema. Das hat früher begonnen, als Studentin im Impro-Theater. Ich war schon damals fasziniert davon, welche Ausdruckskraft im Körper steckt. Und ich hab‘ erlebt, was mir heute in meiner Arbeit so wichtig ist: An manchen Tagen war ich nicht gut drauf. Und prompt war meine Ausdruckskraft nahe null. Ich stand buchstäblich neben mir, war nicht in meinem Körper. Ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, dass meine Teilnehmer:innen so etwas gut kennen.

Was musstest Du in Deiner Anfangszeit als Tagesschau-Sprecherin besonders lernen? Womit hast Du selbst (vielleicht) gekämpft?

Du glaubst gar nicht, wie groß mein Lampenfieber in der Anfangszeit war. Ich war so aufgeregt, dass ich nicht genug Atem hatte für die 30-40 Sekunden Anmoderation. Meine Angst vorm Versagen war sehr groß. Es gibt noch Aufnahmen davon, aber die werden streng geheim gehalten, bei mir im Tresor :-).

Wie hast Du gelernt, damit umzugehen? Was hat geholfen?

Was mir damals sehr geholfen hat, war die Arbeit mit inneren Bildern. Ich hatte mir – inspiriert durch NLP (Neurolinguistisches Programmieren) - ein „Kraftbild“ geschaffen, wo ich oben auf dem Gipfel eines Berges stehe (ich liebe die Berge), noch verschwitzt vom Aufstieg, Blick in die Ferne … Im Studio wurde der Scheinwerfer dann zur Sonne, der Blick in die Kamera ging übers Land. Mir half es zudem, Kontakt zum Boden aufzunehmen, den Bodenanker zu nehmen, dadurch Stabilität und Konzentration zu gewinnen. Das üben wir auch immer im Training.

Ich schätze, dass zu Dir viele Menschen kommen, die eine gewisse Hemmung haben, aufzutreten, sich körperlich und stimmlich auf einer „Bühne“ auszudrücken. Wie nimmst Du ihnen die Schwellenangst?

Auf die eine oder andere Weise geht es jeder:jedem so. Sich selbst authentisch zu präsentieren, gehört zu den großen Anforderungen im Berufsleben, denke ich. Und wir können diese Angst nicht nehmen, aber wir können einen sehr wertschätzenden und schutzbietenden Rahmen dafür schaffen. Dabei hilft auch immer die Gruppe mit, denn da sind wir alle in einem Boot. Konkret starten wir außerhalb der Komfortzone, die Teilnehmer:innen kommen schnell ins Rampenlicht, werden auf Video aufgezeichnet und … alle machen mit. Gerade die Aufzeichnung hilft sehr bei der Selbstwahrnehmung und damit beginnt die Arbeit.

Man könnte ja vermuten, dass Extrovertierte es bei dem Thema leichter haben, denn die gehen – per Definition – leichter nach außen. Sprich bitte darüber.

Es geht darum, den eigenen Ausdruck zu finden. Und es geht gerade nicht darum, Verhalten anzutrainieren oder zu klonen. In diesem Sinne bin ich gnadenlos: Es gibt kein richtig oder falsch. Auch Introvertierte wirken, wenn sie kongruent erlebt werden und sich erlauben, sie selbst zu sein. Und bei einem Extrovertierten, der sich z. B. stark zurücknimmt, weil man ihm seine Lebhaftigkeit vielleicht irgendwann ausgetrieben hat, geht Wirkung verloren.

Kann es also auch ok sein, körperlich und stimmlich komplett zurückgenommen zu agieren, weil ich ausgeprägter Kopfmensch bin und stark im Denken. Und ich folglich vor allem anderen über meine Argumente wirken möchte? Wäre das nicht auch authentisch?

Na ja, da kommen vielleicht meine eigenen Glaubenssätze ins Spiel. Ich denke, dass ein Mensch komplett ist mit … Allem: Mit dem Körper, mit dem Intellekt, mit dem Herzen, mit der Seele. Und wenn ein kopfgesteuerter CEO zu mir kommt, dann öffnen sich auch für den neue Türen, allein da er seinen Atem bewusster wahrnimmt und steuert und er dadurch selbst mehr Energie und Power spürt. Und er in der Folge anders wirkt.

Wir haben in den letzten drei Jahren alle gelernt, vermehrt über Bildschirm zu agieren und so gut wie möglich zu wirken. Sprich bitte über den Unterschied zwischen analogem und digitalem Auftritt.

Ich fang gleich mit dem Schwersten an: Bei digitalem Auftritt kommt es darauf an, direkt in die Kamera zu sprechen. Dann entsteht Augenkontakt. Wenn ich in die Augen meines Gegenübers auf dem Bildschirm schaue, geht Augenkontakt verloren. Das ist deshalb schwierig, weil ich ja die Reaktion des Anderen sehen möchte und mich intuitiv in Kontakt fühle, wenn ich ihn:sie auf dem Bildschirm anblicke. Online entsteht also Kontakt gerade dadurch, dass ich nicht in Kontakt gehe. Schwierig.

Gibt es weitere Unterschiede?

Ich finde es wichtig, dass man auch am Bildschirm wortwörtlich die richtige Distanz wahrt. Niemand schaut dem:der anderen gerne in die Nasenlöcher! Und am Bildschirm sollte sprachlich alles ein wenig kürzer und prägnanter sein und im körperlichen Ausdruck dezenter. Im Theater, also analog, sind die Akteur:innen ja ausladender, übertriebener, lauter, sonst haben sie kaum Wirkung, während im Film die Kamera nah dran ist und der körperliche und stimmliche Ausdruck zurückgenommener sein sollte, sonst wirkt es sofort krass daneben.

Spielt das auch eine Rolle in Deinen Trainings, zum Beispiel in „Körper, Stimme, Überzeugungskraft“?

Ja, ganz automatisch, weil alle Teilnehmer:innen hinter ihre Kulisse blicken lassen und man dadurch lernt besser zu lesen, welcher innere Zustand sich hinter einem bestimmten Auftritt / Körperausdruck verbergen könnte. Es gibt zudem eine schöne Übung, bei der ich – an einer beliebigen Stelle im Seminar – alle auffordere, körperlich einzufrieren. Und wir dann darüber sprechen, was hinter den diversen „Posen“ und Positionen stecken könnte. Ist jemand ganz dabei, oder im Moment eher Konsument:in? Das macht Spaß und ist lehrreich.

Was möchtest Du Deinen Teilnehmenden unbedingt und immer mitgeben? 

Mach Dir klar, was Du zu sagen und der Welt zu geben hast. Und dann trau Dich, es auf Deine eigene Weise zu vermitteln.

Danke, liebe Simone!